Ein Abend mit Stil

Ein Abend mit Stil

 

Was man beim Menü über Tischkultur lernen kann

 

Sicher – wenn ich morgen zum Dinner bei der Queen eingeladen wäre, ich hätte kein besonders gutes Gefühl. Ansonsten habe ich meine Tischsitten bisher immer für brauchbar gehalten, jedenfalls erinnere ich mich nicht, bei Geschäftsessen oder gelegentlichen Besuchen in den sogenannten gehobenen Restaurants unangenehm aufgefallen zu sein. Trotzdem, schaden kann ein Kurs zum aktuellen Stand bei Knigge sicher nicht – besonders wenn er im Rahmen eines guten Menüs stattfindet und die Weine im Preis inbegriffen sind. Also folgten wir, meine Frau und ich, der Einladung von Sabine Lansing und waren gespannt.

 

Nach der ersten kurzen Begrüßung der acht Teilnehmer die erste Hürde: die Bestellung des Aperitifs. Erstens traue ich den kleinen alkoholischen Gemischen nicht, schon gar nicht auf leeren Magen. Und zweitens habe ich Durst und nach einem langen Arbeitstag Lust auf ein Bier. Bier als Aperitif? Kann kaum erlaubt sein, oder doch? Egal sage ich mir, bei einem Kurs soll man etwas lernen und das geht besonders gut wenn man Fehler macht. Ich bestelle und bekomme also unter den neidvollen Blicken eines Kurskollegen mein kühles Pils und kassiere dafür noch nicht mal einen Tadel. „Alles erlaubt“, erklärt Sabine Lansing, die bei der Knigge- und Typakademie in Limburg zur Trainerin für Umgangsformen ausgebildet wurde. „Sie sollten bei Ihrer Bestellung nur daran denken, dass der Aperitif beim Platz nehmen nicht mit an den Tisch genommen wird. Die Zeit, ein Bier in Ruhe auszutrinken könnte also unter Umständen knapp sein.“

 

An den Herren ist es dann, die Damen zu ihrem Platz zu begleiten und mit dem Stuhl zur Hand zu gehen. Das bleibt nicht die einzige Aufgabe, wir haben außerdem dafür zu sorgen, dass unsere Tischnachbarinnen den Abend über mit Getränken versorgt sind. Die Weine werden vom Restaurantservice übernommen, wie mir angenehm auffällt. Bleiben also nur zwei Wassergläser in meinem Verantwortungsbereich. Das schaffe ich mit ein wenig Konzentration locker. Die Zeit zwischen den Gängen nutzt die Trainerin, um uns Regeln und Gepflogenheiten zu den einzelnen Speisen zu erläutern. Das Vorspeisenbrot wird abgebrochen – keinesfalls abgebissen, Salat wird nicht geschnitten und der Rest der Suppe durchaus getrunken – wenn sie in einer Tasse serviert wird. Der Umgang mit alltäglichen Dingen wie Servietten oder Kartoffeln wird perfektioniert und die Hände sollten immer oberhalb der Tischkante sein. „Wirklich die ganze Zeit?“ Meine Frau findet das etwas anstrengend und ungewohnt.

 

Irgendetwas ist dabei für jeden neu und regt zum Fragen an, viele Regeln haben einen interessanten historischen Ursprung und diverse Probleme ergeben sich beim Essen: Fischgräte im Mund – und jetzt? Bei meiner Frau gibt es Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung – einfach selbst zur Flasche greifen und eingießen? Sabine Lansing und Knigge haben für alles praktisch-stilvolle Lösungen parat. Und wer zuvor Angst hatte, ihm würde beim Essen genau auf die Finger geschaut, konnte sich schon während der Vorspeisen entspannen. Direkte Einzelkritik wäre in dem gediegenen Rahmen und dem anregenden Tischgespräch fehl am Platz. Eine gute Idee also, ein exquisites Menü als Lernumgebung zu wählen, interessante Menschen kennen zu lernen und dabei noch Spaß zu haben. Etwa mit den subtilen Möglichkeiten, einen nachlässigen Tischherren auf ein leeres Glas hinzuweisen. (mal)

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